Projektübersicht

Entwicklung eines integrierten Modells zur Simulation
der Übertragung verschiedener Atemwegsinfektionen

Ziel

Die mittel- und langfristigen Auswirkungen nicht-pharmazeutischer Interventionen (NPIs), die während der COVID-19-Pandemie eingesetzt wurden, auf Atemwegsinfektionen wie das Respiratorische Synzytial-Virus, Influenza und Pneumokokken-Erkrankungen sind nach wie vor kaum erforscht. Sie spielen aber eine entscheidende Rolle bei der Bewertung der totalen Krankheitslast nach NPIs.

Unser Ziel ist es, ein integriertes Modell zur Simulation der Übertragung verschiedener Atemwegsinfektionen und der kollateralen Auswirkungen von NPIs auf deren mittel- und langfristige Krankheitslast zu entwickeln.
Spezifische Ziele sind:

  1. Sammlung, Synthese und Analyse verfügbarer Daten über Immunitätsmarker, Infektionsprävalenz und Krankheitslast von Atemwegsinfektionen während und nach NPIs (TP 1)
  2. Generierung modellierbarer Daten durch Stichproben aus bestehenden bevölkerungsbasierten Studien bei Erwachsenen und Kindern, um die erworbene Immunität und die Dynamik von RSV-, Influenza- und Pneumokokken-Erkrankungen nach NPIs im Zeitraum 2022-2024 zu verstehen (TP 2)
  3. Aufbau eines integrierten Modells, das Simulationen für heterogene Szenarien in Bezug auf die Epidemiologie und die Belastung der öffentlichen Gesundheit durch Atemwegsinfektionen während und nach NPIs in Pandemiesituationen liefern kann, um Entscheidungsträger zu informieren (TP 3)
  4. Integration und Erstellung verschiedener Prognosemodelle zur kurzfristigen Vorhersage von Fallzahlen und Krankenhausaufenthalten für RSV, Pneumokokken und Influenza, um Informationen über bestehende und prognostizierte Kapazitäten im Gesundheitssystem zu generieren (TP 4)

Teilprojekte

Evidenzsynthese
Teilprojekt 1 (TP1)

Populationsbasierte Erhebungen Teilprojekt 2 (TP2)
Integrierte Modellierung Teilprojekt 3 (TP3)
Kurzzeitvorhersagen Teilprojekt 4 (TP4)

TP1

Evidenzsynthese

Harmonisierung der verfügbaren Daten zur Synthese eines globalen Datensatzes über Immunitätsmarker, Infektionsprävalenz und Krankheitslast durch Atemwegsinfektionen während und nach NPIs

In diesem Unterprojekt wollen wir zunächst einen globalen Datensatz zu den Auswirkungen von NPIs auf die Inzidenz und Krankheitslast von Respiratorischen Synzytial-Viren, Influenza und Pneumokokken zusammenstellen, um die Parametrisierung in den Unterprojekten 3 und 4 zu unterstützen. Zweitens wollen wir eine Modellierung mit gemischten Effekten anwenden, um die Auswirkungen der Art und des Typs der NPI, der Dauer und des Zeitpunkts der Umsetzung, der Intensität, der Zielpopulation, der Stringenz der Umsetzung und der Umweltfaktoren der NPI und ihrer potenziell heterogenen Auswirkungen auf Krankheitserreger der Atemwege zu verstehen.

Beides ist wichtig, um die Nebenwirkungen nicht-pharmazeutischer Maßnahmen für künftige Pandemien besser zu verstehen, aber auch um zu wissen, was interpandemisch passieren wird.

Zielsetzung: Verstehen der Auswirkungen verschiedener NPIs und der verschiedenen Aspekte (z. B. Dauer, Zielpopulation, Saisonalität), die ihre Auswirkungen auf die Krankheitsdynamik von RSV, Influenza und Pneumokokken-Erkrankungen beeinflussen könnten.

Hypothese: Die Auswirkungen von NPIs variieren je nach Atemwegserreger und anderen Faktoren (einschließlich der Auswirkungen von Typ und Art der NPI, Dauer und Zeitpunkt der Umsetzung, Intensität, Zielgruppe, Stringenz der Umsetzung und Umweltfaktoren).

Zu diesem Zweck werden wir Folgendes anstreben:

  1. Bereinigung, Zusammenführung und Synthese globaler Daten aus der medizinischen Fachliteratur und öffentlich zugänglicher Datensätze aus verschiedenen Quellen über die Auswirkungen verschiedener Formen, Stärken und Arten von NPIs auf die Inzidenz und Krankheitslast von Respiratorischem Synzytial-Virus, Influenza und Pneumokokken-Erkrankungen
  2. Bereitstellung von Daten für TP3 in einem Format, das die Parametrisierung des integrierten Modells aus der Evidenzsynthese und den durchgeführten Meta-Analysen ermöglicht
  3. Bewertung der Heterogenität in der Krankheitsdynamik von RSV, Influenza und Pneumokokken während und nach der Verwendung von NPIs

PI: PD Dr. Claudia Denkinger, Universitätsklinikum Heidelberg

Partner:innen:

Dr. Berit Lange, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung Prof. Dr. Andre Karch, Universität Münster
Dr. Veronika Jäger, Universität Münster
Dr. Roland Kaiser, Universität Köln
PD Dr. Ole Wichmann, RKI
Prof. Dr. Rafael Mikolajczyk, Universität Halle
Dr. Cornelia Gottschick, Universität Halle

TP2

Populationsbasierte Erhebungen

Erhebung der Dynamik von RSV-, Influenza- und Pneumokokken-Erkrankungen in einer bevölkerungsbasierten Kohorte intra-und postpandemisch

In diesem Teilprojekt liefern wir Informationen für integrierte postpandemische Modelle von Atemwegsinfektionen, indem wir die Dynamik von RSV-, Influenza-, SARS-CoV-2- und Pneumokokken-Immunität, Kontaktmustern und Adhärenz gegenüber NPIs in einer gut charakterisierten deutschen Bevölkerungskohorte (MuSPAD) bei Erwachsenen und Kindern messen.

Dies ist wichtig, da die Erkenntnisse, die hauptsächlich aus dem ersten und zweiten Jahr der Pandemie stammen, nicht in der Lage sein werden, Veränderungen der Immunität oder des Kontaktverhaltens zu einem späteren Zeitpunkt (2022-2024) zu erklären. Da die NPIs im Vergleich zu früheren Epidemien oder Pandemien in Bezug auf Dauer, Stärke und Umfang beispiellos sind, können die relevanten Daten nur in Echtzeit während der nächsten Jahre bewertet werden.

Wir werden daher zunächst 1600 Zufallsstichproben von erwachsenen Teilnehmern aus der bestehenden bevölkerungsbasierten deutschlandweiten Seroprävalenzstudie MusPAD untersuchen und zusätzlich Proben von 200 Teilnehmern, in deren Haushalt Kinder zwischen 2020-2021 geboren wurden. Die Teilnehmer werden, erneut im Herbst/Winter 2022, im Sommer 2023 und im Sommer 2024 eingeladen, und anschließend die Unterschiede in der Antikörperreaktion bei Erwachsenen und Kindern mit Hilfe eines gut etablierten Multiplex-Serologie Assays analysiert.

Gleichzeitig werden wir Kontaktmuster und die NPI-Adhärenz messen, indem wir eine etablierte Kontaktbefragung (COVIMOD) anpassen und bereits gesammelte sowie neu bereitgestellte Informationen über Teilnehmer aus MuSPAD verwenden. Die Ergebnisse werden genutzt, um den Einfluss des Kontaktverhaltens und individueller NPI-bezogener Variationen auf die Veränderung der Infektionsdynamik für RSV, Influenza, SARS-CoV-2 und Pneumokokken-Erkrankungen bei Erwachsenen und Kindern in Deutschland postpandemisch zu bewerten. Sowohl Informationen über postpandemische Kontaktmatrizen als auch über die Dynamik von Atemwegsinfektionen in Abhängigkeit von der individuellen NPI-Adhärenz werden in einem Format bereitgestellt, das die Parametrisierung integrierter Modelle von Atemwegsinfektionen ermöglicht.

Hypothese: Die Infektionsdynamik von RSV, Influenza und Pneumokokken-Erkrankungen bei Erwachsenen und Kindern wird in Abhängigkeit von der individuellen Einhaltung der NPIs und spezifischen Kontaktmustern unterschiedlich beeinflusst.

Ziel: In diesem Teilprojekt wollen wir fehlende Informationen für integrierte postpandemische Modelle von Atemwegsinfektionen bereitstellen, indem wir die Dynamik von RSV-, Influenza-, SARS-CoV-2- und Pneumokokken-Immunität, Kontaktmuster und NPI-Adhärenz in einer bestehenden und gut charakterisierten deutschen bevölkerungsbasierten Kohorte von Erwachsenen und einer zusätzlichen Kohorte von Kindern im Jahr 2022 bis 2024 untersuchen.

Spezifische Ziele sind

  1. Erhebung der Veränderung von Infektionen/Re-Infektionen mit RSV, SARS-CoV-2, Influenza und Pneumokokken in verschiedenen Altersgruppen post- und interpandemisch in einer bevölkerungsbasierten Kohorte in Deutschland zwischen 2022 und 2024 unter Verwendung einer Multiplex-Serologie.
  2. Schätzung der Kontaktmuster nach der Pandemie und Schätzung der individuellen NPI-bezogenen Adhärenz während des gleichen Zeitraums.
  3. Analyse des Einflusses individueller NPI-bezogener Variationen und des Kontaktverhaltens auf die Veränderung der Infektionsdynamik.

PI: Dr. Berit Lange, MSc

Partner:innen:
Dr. Nicole Schneiderhan-Marra, NMI
Prof. Dr. Andre Karch, Universität Münster
Dr. Veronika Jäger, Universität Münster

TP3

Integrierte Modellierung

Modellierung der Ausbreitung von multiplen Krankheitserregern in realistischen Umgebungen zur Quantifizierung der Auswirkungen von spezifischen Eingriffe in das endemische Gleichgewicht


Durch die Luft übertragene Atemwegserkrankungen gehören zu den am weitesten verbreiteten Krankheiten in der modernen Gesellschaft. Neben der gewöhnlichen Grippe können auch andere neu auftretende und saisonale Atemwegsinfektionen eine erhebliche Belastung für bestimmte Bevölkerungsschichten darstellen. Beispiele hierfür sind SARS-CoV-2 und Influenza, die bei älteren Menschen relativ hohe Raten an schweren Erkrankungen und Todesfällen aufweisen, sowie das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV), das bei Kindern in den ersten beiden Lebensjahren eine der häufigsten Ursachen für Krankenhausaufenthalte darstellt. In Deutschland schwankt die Häufigkeit saisonaler endemischer Atemwegsinfektionen in der Regel alle zwei Jahre und Epidemiologen, Kliniker und politische Entscheidungsträger können sich auf die großen Wellen vorbereiten. Wenn jedoch neue Atemwegserkrankungen auftreten, wird das endemische Gleichgewicht der saisonalen Krankheiten gestört, vor allem, wenn Eingriffe auf Bevölkerungsebene die natürlichen Infektionszyklen beeinflussen.

Es ist zu erwarten, dass die eingeführten NPIs gegen COVID-19 beispielsweise zu einem außersaisonalen Auftreten und einer Zunahme von Umfang und Schwere der RSV- und Influenzawellen führen werden. Die Veränderungen in der Epidemiologie typischer Atemwegsinfektionen können die Planung, Durchführung und Wirksamkeit der derzeit in der klinischen Praxis angewandten Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit beeinträchtigen. Die Modellierung von Infektionskrankheiten ist die einzige Methode, um dieser Komplexität gerecht zu werden und die Auswirkungen von NPIs auf die Epidemiologie anderer Infektionen zu untersuchen. 

Dieses Projekt zielt darauf ab, die Modellierungskompetenzen im Bereich der parallel auftretenden Atemwegserkrankungen voranzutreiben und den politischen Entscheidungsträgern einen umfassenden Rahmen zu bieten, um die Auswirkungen von NPIs zur Eindämmung einer Krankheit auf das endemische Gleichgewicht der anderen Krankheiten zu bewerten.

Das Hauptziel dieses Unterprojekts ist die Bereitstellung eines Modellierungsrahmens, der politischen Entscheidungsträgern hilft, NPIs unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf mehrere in der Bevölkerung verbreitete Infektionen zu planen. Dieser Rahmen wird den Nutzen von Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung einer bestimmten Krankheit mit den Auswirkungen abwägen, die diese Maßnahmen auf die mittel- und langfristige Dynamik der anderen Krankheiten haben könnten, insbesondere bei saisonal auftretenden und wiederauftretenden Krankheiten. Zu diesem Zweck planen wir die folgenden Forschungsfragen:

  • Welche Bedingungen bestimmen die Auswirkungen von saisonaler Grippe, Lungenentzündung, RSV und COVID-19? In diesem Schritt werden wir die Dynamik der Infektionen getrennt betrachten.
  • Was sind die realistischen Auswirkungen von Koinfektionen/Konkurrenz zwischen den einbezogenen Infektionen? Sind sie vernachlässigbar?
  • Wie wirkt sich die detaillierte kontextuelle Kontaktstruktur in Haushalt/Schule/Gemeinde auf die Ausbreitung der einzelnen Krankheiten und die Wirkung von NPIs aus? Wie kann man diese mikroskopischen Netzwerkeffekte in ein kompartimentelles Mean-Field-Modell einbeziehen?
  • Wie wirken sich verschiedene NPIs, die die Ausbreitung einer einzelnen Infektion eindämmen sollen, auf die Dynamik der anderen aus?

 

Unsere spezifischen Ziele bei der Beantwortung dieser Forschungsfragen sind daher folgende:

  • Implementierung von Einzelerreger-Modellen und Analyse der Empfindlichkeit ihrer Parameter.
  • Einbeziehung empirischer Belege für die Konkurrenz-Koinfektion zwischen Einzelerregern in die Formulierung eines kompartimentellen Multi-Pathogen-Modells mit Differentialgleichungen.
  • Ableitung einer Methode zur Einbeziehung einer äquivalenten Funktion für mikroskopische Netzwerkeigenschaften in ein Mean-Field-Modell für verschiedene NPI-induzierte Netzwerkkonfigurationen.
  • Anwendung von NPIs in einem Modell mit mehreren Krankheitserregern, die auf eine einzelne Krankheit oder als Eindämmungsstrategie auf Bevölkerungsebene wirken, und Entwicklung einer umfassenden Grundlage für die Bewertung der Kostenwirksamkeit von NPIs in einem Rahmen mit mehreren Krankheitserregern.

Dr. Viola Priesemann, PI
PD Dr. Ole Wichmann, Co-I
Prof. Alexander Kuhlman, Co-I
Prof. Tyll Krüger, Co-I
Dr. Wolfgang Bock, Co-I

TP4

Kurzzeitvorhersagen

Nowcasting und Kurzzeitvorhersage mehrerer Atemwegserkrankungen in Echtzeit

Kurzzeitvorhersagen bieten eine wichtige ergänzende Perspektive zur Szenariomodellierung. Sie tragen zum Situationsbewusstsein (situational awareness) bei, d.h. der rechtzeitigen und zuverlässigen Bewertung der aktuellen Intensität und des Trends einer Epidemie. So unterstützen sie die Entscheidungsfindung über Interventionen und die Verwendung von Ressourcen. Da viele epidemiologische Indikatoren aufgrund von Meldeverzügen nur mit zeitlicher Verzögerung zur Verfügung stehen erfordert eine gründliche Bewertung der aktuellen Lage auch eine Korrektur der jüngsten Daten, eine Aufgabenstellung, die als Nowcasting bezeichnet wird und konzeptionell eng mit der Kurzzeitprognose verwandt ist. Im Rahmen dieses Teilprojekts sollen bestehende Infrastrukturen erweitert werden, um ein operationelles Nowcasting- und Kurzzeitprognosesystem für das Respiratorische Synzytialvirus (RSV), Pneumokokken, saisonale Influenza und COVID-19 bereitzustellen.

Hierbei werden sowohl Fallzahlen als auch die resultierende Belastung des Gesundheitssystems betrachtet. Besonderes Augenmerk wird auf altersstratifizierte Analysen und die angemessene Quantifizierung der Prognoseunsicherheit gelegt. Aufbauend auf unseren früheren Arbeiten werden wir einen kollaborativen Multi-Modell-Ansatz verfolgen, bei dem Nowcasts und Prognosen aus verschiedenen Modellen kombiniert werden. Solche kombinierten Ensemble-Prognosen haben sich in vielen Situationen als robuster als Prognosen mit nur einem Modell erwiesen und erleichtern die Kommunikation mit Entscheidungsträgern. Alle Ergebnisse werden der Öffentlichkeit in Echtzeit einem etablierten Open-Science-Konzept folgend zur Verfügung gestellt. Dieser Ansatz bildet auch den Rahmen für die Modellbewertung und -validierung. Die Vorhersagegüte wird anhand moderner Evaluationsmethoden in einer prospektiven und vorab registrierten Evaluierungsstudie bewertet.

Besondere Aufmerksamkeit wird der Frage gewidmet, welche Modellierungsstrategien bei welchen Zeithorizonten am vielversprechendsten sind, welche Vorteile eine stratifizierte Vorhersage oder ein Nowcasting bietet und wie verschiedene Vorhersagen am besten in ein Ensemble kombiniert werden können. Während ein Grundstock an Modellen vom Leitungsteam am Karlsruher Institut für Technologie sowie von vier Partnergruppen innerhalb des Arbeitspaketes beigesteuert werden wird (siehe Abschnitt Analysemethoden), wird die Plattform wie in vorangegangenen Projekten auch für Beiträge externer Gruppen offenstehen.

Ziel dieses Teilprojekts ist es, bestehende Strukturen zur kollaborativen Kurzzeitvorhersage von COVID-19 (den deutsch-polnischen COVID-19 Forecast Hub, https://kitmetricslab.github.io/forecasthub) auf verschiedene Erreger der Atemwege (Respiratorisches Synzytialvirus, Pneumokokken, saisonale Grippe) auszuweiten. Die aktuelle Plattform, dargestellt in Abbildung 4.1, enthält Vorhersagen zu COVID-19-Fällen und Todesfällen, die auf einer Reihe verschiedener Modelle basieren.

In dem vorgeschlagenen Projekt sollen zusätzliche Indikatoren zu den oben genannten Krankheiten, einschließlich der daraus resultierenden Belastung des Gesundheitssystems, sowie altersstratifizierte Ergebnisse hinzugefügt werden. In diesem erweiterten Rahmen wird es darüber hinaus notwendig sein, eine Nowcast-Komponente einzubeziehen. Unter Nowcasts verstehen wir die statistische Korrektur der jüngsten Datenpunkte in einer Zeitreihe epidemiologischer Indikatoren, die aufgrund von Meldeverzögerungen unvollständig sind und in der Regel die tatsächliche Belastung unterschätzen. Abbildung 4.2 veranschaulicht die Beziehung zwischen Nowcasts und kurzfristigen Prognosen, wie sie hier behandelt werden, und längerfristigen Szenarien, wie sie in TP3 behandelt werden.

Die Plattform wird Nowcasts, Kurzzeitvorhersagen und die damit verbundenen Unsicherheiten enthalten, und zwar sowohl aus mechanistischen Modellen, die auf den Erkenntnissen der Teilprojekte 1 und 2 beruhen, als auch aus rein datengesteuerten statistischen Ansätzen. Das Hauptergebnis wird eine kombinierte Ensemble-Vorhersage sein, von der erwartet wird, dass sie im Vergleich zu Einzelmodellvorhersagen eine bessere Stabilität aufweist und somit insbesondere Entscheidungsträgern eine bessere Orientierungshilfe bietet. Die erstellten probabilistischen Vorhersagen werden einer kontinuierlichen Evaluation mittels moderner statistische Methoden unterzogen. Auf diese Weise wird unser Teilprojekt einen nützliche Feedback-Mechanismus für die Modellentwicklung bereitstellen. Die wichtigsten Forschungsfragen sind die Folgenden:

  1. Wie zuverlässig sind die generierten Nowcasts, und bis zu welchen Zeithorizonten sind zuverlässige Vorhersagen für die verschiedenen Erreger und Ziele möglich? Gibt es Vorteile der Integration epidemiologischer Informationen, wie sie in den TPs 1 und 2 generiert werden, im Vergleich zu rein datengetriebenen Ansätzen?
  2. Wie können die Quantilsvorhersagen der einzelnen Modelle durch Vorhersagekombinations-/Ensemble-Ansätze verbessert?
  3. Sind zuverlässige Vorhersagen nach Altersgruppen möglich, und können stratifizierte Modelle die Gesamtvorhersagen verbessern? Wie können stratifizierte Vorhersagen effektiv visualisiert / kommuniziert werden?

Bei all diesen Fragen wird der angemessenen Quantifizierung der Prognoseunsicherheit im Sinne probabilistischer Vorhersagen besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Wir werden außerdem relevante Expertise aus dem Public Health-Bereich mit einbeziehen um sicherzustellen, die erstellten Vorhersagen tatsächlich von praktischem Nutzen sind. Dr. Johannes Dreesmann, Abteilungsleiter im Niedersächsischen Landesgesundheitsamt, hat sich bereit erklärt, als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen.

Dr. Johannes Bracher
Prof. Dr. Melanie Schienle, KIT Karlsruhe

BMBF gefördert